Alli Neumann

Das A-Team: Alli Neumann, Aminata Belli & Aminata Touré

Drei norddeutsche Frauen im Porträt

Drei Frauen, die cooler, wichtiger und norddeutscher nicht sein könnten: Alli Neumann, Aminata Belli und Aminata Touré machen sich als „Special forces“, ähnlich wie die Helden der Actionserie „Das A-Team“ aus den 80ern, für wichtige Themen stark. Alli Neumann rüttelt als Feministin die Musik-industrie auf, Aminata Belli hält als schwarze Frau an der Spitze der deutschen TV-Landschaft der Gesellschaft einen Spiegel vor und Aminata Touré rollt als erste afrodeutsche und jüngste Landtags-Vizepräsidentin Deutschlands die Politik neu auf. 

Alli Neumann

Nicht nur sanfte Töne – Mit Feminismus- und Sexismusthemen, wie auf ihrem Album „Madonna-Whore-Komplex“  zu hören, sang Alli Neumann sich vom kleinen Heimatdorf in Nordfriesland auf die großen Bühnen Deutschlands.   (Foto: Four Music/JAGA Recordings)

Unter ihrem blonden Bob strahlt sie einen mit ihren großen, grünen Augen an und versprüht gute Laune: Alli Neumann! Die Popsängerin begeistert nicht nur auf der Bühne mit ihrem Charme und ihrer Musik, sondern steht auch abseits des Rampenlichts für ihren ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ein. Dabei wuchs die gebürtige Deutsch-Polin Mitte der 90er ganz unspektakulär inmitten von Schafen und Deichen in einem kleinen Dorf zwischen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg auf. Allis Vater, ein Antiquitätenhändler und Architekt, kaufte damals einen alten Bauernhof und bewegte die Familie zum Umzug von Polen in die norddeutsche Idylle. Lange hatten Alli und ihre drei Schwestern dort mit den üblichen Polenklischees zu kämpfen, behielten ihre polnische Herkunft in der Schule daher meist für sich. Gut möglich, dass genau dies der Grundbaustein für Allis unkonventionelles Denken ist. Denn mittlerweile ist die Musikerin nicht nur stolz auf ihre Wurzeln, sondern macht ihren Standpunkt als Symbolbild für eine ganze Generation auf der Bühne publik. Sie steht für ein neues, weibliches Selbstbewusstsein, trägt wieder Achselhaar und nutzt ihre Reichweite als junge Frau in der Musikindustrie, sicher nicht nur für wichtige, sondern auch für heikle Themen. Als Feministin hat Alli sich zum Vorbild für viele junge Frauen entwickelt und es sich zur Aufgabe gemacht, die männlich dominierte Musikbranche aufzumischen. Nachdem Alli bereits mit 14 Jahren altmodische Lieder von France Gall und Connie Francis in Altersheimen schmetterte, schreibt sie heute ihre eigenen Songs. Und die haben es nicht nur gewaltig in sich, sondern treffen absolut den Puls der Zeit. Denn auch wenn die Songwriterin aufgrund ihrer rauen Stimme häufig als Mischung aus Nena und Nina Hagen beschrieben wird, sind Allis Texte, wie die ihrer vermeintlichen Vorgängerinnen, auch heute noch nicht von gestern. Bei Alli dreht sich alles um Sexismus, Identität und Integrität, wobei sie neben ihrem einmaligen Sound klare Worte und ordentlich Denkanstöße liefert. Mit ihren Liedern wie „Merlot, Macht & Muse“ oder „Die Schöne & Das Biest“ rechnet Alli mit dem Patriarchat ab. Ihr Musikgenre dabei ist alternativer Deutsch-Pop, wuchtig und kratzbürstig. 2019 veröffentlichte sie bereits ihre zweite EP „Monster“, 2021 erschien ihr Debütalbum „Madonna Whore Komplex Album“, womit Alli einen ganz besonderen Komplex beschreibt: das vermeintliche Verlangen von Männern, zwei Frauen zu haben, eine „Hure“ fürs Bett und eine „Madonna“ für die Küche. Damit befreit sich die Sängerin von veralteten Rollenmustern und frauenfeindlichem Schubladen-denken, welches Frauen nach wie vor mit absurden Erwartungen konfrontiert. 2021 gründete Alli Neumann mit Jaga-Recordings außerdem gleich ihr eigenes Label, womit sie die Musikindustrie endgültig umkrempeln will und sicher auch wird!

Aminata Belli

Vom Schaustellerkind aus Schleswig-Holstein zur gefeierten TV-Moderatorin mit politisch-wichtigem Standpunkt: Aminata Belli. (Foto: Daniel Feistenauer)

Aminata Belli ist nicht nur TV-Moderatorin, Journalistin und enga-gierte Reporterin, auch ist die 29-Jährige ein norddeutsches Schaustellerkind durch und durch. Geboren im schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe, tingelte sie von klein auf mit dem familiären Crêpe- oder Softeis-Stand über Norddeutschlands Jahrmärkte. „Ich bin in einem Wohnwagen aufgewachsen“, so Aminata, die manchmal jede Woche die Schule wechselte. Seit mehreren Jahrhunderten ist das Schaustellerleben in ihrer Familie Tradition, dennoch entschloss sich Aminata, dieses Vermächtnis nicht weiterzuführen. Unterwegs ist sie trotzdem ständig. Denn ihre Kindheit auf dem Jahrmarkt zwischen Dosenwerfen, Zuckerwatte und Leuchtreklamen hat sie geprägt und gut auf ihr abwechslungsreiches Berufsleben als freischaffende Medienvertreterin vorbereitet. Nur der salzige Meeresgeruch und die Brise des Nordens fehlen, denn mittlerweile wohnt Aminata in Berlin. Doch nicht nur ihre Kirmes-Kindheit prägte die Wahlberlinerin, auch der Fakt, dass sie damals als einzige Schwarze in einer traditionellen Umgebung aufwuchs, bewegt sie bis heute. Identität war schon immer ein Thema für Aminata. Mit 17 Jahren startete sie ihren Youtube-Channel, erlernte autodidaktisch ihre heutigen Moderationsqualitäten. Neben Stylingideen und natürlicher Afrohaarpflege besprach sie dort auch den Prozess, ihren Vater aus Gambia kennenzulernen. Mit 23 trat sie spontan die Reise zu dem entfernten Kontinent an und schilderte ihren Follower*innen diese Erfahrung hautnah. Bei vielen Zuschauer*innen löste dies etwas aus, sie erhielt unzählige Nachrichten, Zusprüche, Glückwünsche und persönliche Geschichten. Denn wie Aminata selbst sagt, sei sie in Deutschland Schwarz und in Afrika Weiß, stehe quasi immer zwischen den Welten, egal wo sie ist. Und das kennen viele, während all diese Menschen, bedingt durch die Strukturen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft, dabei immer wieder auf Rassismus im Alltag stoßen. Aminatas Herzensangelegenheit ist daher der Kampf gegen Rassismus. Denn der begleitet Schwarze in Deutschland leider auch heute noch jeden Tag, ein Leben lang. Daher appelliert Aminata an alle, die Zeug*innen von Alltagsrassismus werden : „Sagt was!“ Auch beruflich widmet Aminata sich in ihren Moderationsformaten „followme.reports“ im Funk oder in der NDR–Talkshow „deep und deutlich“ unter anderem diesem Thema. Sie legt den Finger in die Wunde, wird nicht müde, problematische Muster und Strukturen aufzudecken. 2020 startete sie gemeinsam mit ihrer Moderationskollegin Hadnet Tesfai diesbezüglich die Insta-gram-Talkreihe „Sitzplatzreservierung“, als Reaktion auf die Black-Lives-Matter-Bewegung und den Umgang damit in den deutschen Medien. Denn in Fernsehrunden, in denen über Rassismus gesprochen wird, fehlen oft gerade die Menschen, die ihn im Alltag erfahren. Daher möchte sie das Thema in der Schwarzen Community diskutieren und damit weißen Menschen einen Ort zum Zuhören und Lernen bieten. Mit Aminatas authentischer Art schafft sie es dabei, wie nicht viele, politische Themen und den Zeitgeist von heute unterhaltsam zusammenzubringen und Schwarzen Menschen mit ihren Anliegen auf den großen Bühnen Deutschlands ein Gesicht zu geben und Gehör zu verschaffen.

Aminata Touré

Chancengleichheit – Das war nicht nur während des schleswig-holstei-nischen Lantagswahlkampfs Aminata Tourés Antrieb, auch in ihrem Buch „Wir können mehr sein“ schreibt sie über die Macht der Vielfalt (kiwi-verlag.de).

Auch dieses Gesicht sollte man sich einprägen, denn von Aminata Touré wird man sicher noch einiges hören! Nicht umsonst wurde die 30-Jährige 2017 zur Landtagsabgeordneten und 2019 zur Vizepräsidentin in Schleswig-Holstein gewählt. Damit ist sie die erste afrodeutsche und jüngste Vizepräsidentin in Deutschland. Aminatas Karriere begann bereits 2012 als Sprecherin der Grünen Jugend in Kiel. Im selben Jahr wurde sie Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, arbeitete seit 2014 zunächst als studentische Hilfskraft, dann als persönliche Referentin für die Fraktion. Doch all das hat sich Aminata hart erkämpft, denn ihre Eltern flohen schon in ihrem Geburtsjahr von Mali nach Deutschland, weshalb sie in einer Flüchtlingsunterkunft in Neumünster aufwuchs. Dieser holprige Start hielt die studierte Politikwissenschaftlerin allerdings keineswegs von ihrer außergewöhnlichen Laufbahn zurück, im Gegenteil! Ihre deutsche Staatsbürgerschaft bekam Aminata erst mit 12 Jahren, doch ihre Vergangenheit prägte ihren Werdegang. Bereits als junges Mädchen setzte sie sich in der Schule ehrenamtlich als Schulsprecherin bei dem Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ein. Im Studium war sie Lotsin beim Projekt der Türkischen Gemeinde für Kinder mit Migrations-hintergrund. Heute vertritt sie in der schleswig-holsteinischen Fraktion der Grünen als Sprecherin ihre Herzensangelegenheiten: Migration und Flucht, Antirassismus, Frauen und Gleichstellung, Queerpolitik, Religion sowie Katastrophenschutz und Rettungsdienst. Auch veröffentlichte sie im Herbst 2021 ihr erstes Buch: „Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt“. Es handelt vom Aufwachsen als schwarze Frau in einer Gesellschaft, die immer noch Mühe hat, ihren eigenen Rassismus zu erkennen, aber auch vom Weg in die Politik, von Erfolgen und vom Scheitern – nicht, um zu sagen, dass es schwer oder einfach war, sondern, um zu sagen, was in diesem Land anders werden muss. Gemeinsam mit Monika Heinold entschloss sich Aminata Anfang Mai 2022, im Spitzenduo bei der Landtagswahl für die Grünen anzutreten. Warum? „Die Themen, für die die meisten mich kennen, sind Themen wie gesellschaftlicher Zusammenhalt, Gleichstellungs-politik, der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus und, dem übergeordnet, Vertrauen in Politik und unser politisches System zu stärken. Diese Themen sind nach wie vor für mich jeden Tag der Grund, um Politik aus vollster Überzeugung zu gestalten.“, so die Aminata. Ihr Engagement und ihre Willensstärke lassen vermuten, dass dieser Schritt mit Sicherheit nicht der letzte auf ihrer Karriere-leiter sein wird, sondern vielmehr erst der Anfang einer verheißungsvollen Politiklaufbahn!