Kulinarik der Hobenköök – Foodhotspot Hamburg

Zwischen Hamburger Innenstadt und Hafencity befindet sich der Oberhafen. Ein Industriegebiet, das sich als Kontrastprogramm zu Kommerz und durchgestyltem Hochpreisstadtteil versteht und sich seit einigen Jahren als Kreativ- und Kultur­standort erfindet. Nur einen Steinwurf von der legendären und wahrhaftig schrägen Ober­hafen-Kantine, der letzten Kaffeeklappe in Hamburg, die spätestens mit Christa (Mama) Mälzer als Hausherrin über die Grenzen Hamburgs hinaus Berühmtheit erlangte, haben Thomas Sampl, Neele Grünberg und Frank Chemnitz vor drei Jahren ihre Idee von einer kulinarischen Heimstätte für Saiso­nales und Regionales konsequent auf ein neues Level gebracht. Die Hobenköök (plattdeutsch für „Hafenküche“) ist eine einzigartige Symbiose aus Markthalle und Restaurant mit angeschlossenem Cateringbetrieb.

Regional, denn an Dänemarks Küste gehen heutzutage sogar Thunfische ins Netz.

Als wir Thomas Sampl – so etwas wie die mediale Galionsfigur der Hobenköök, Spitzenkoch und Mes-sias einer wahren Regionalität und saisonalen Küche – im Frühjahr treffen, führt er uns durch die 600 Quadratmeter große Markthalle, in der um die dominierende offene (Restaurant-)Küche rund 200 regionale Pro-duzenten ihre Waren anbieten. Die Hobenköök arbeitet nach einem ganzheitlichen Ansatz. So bedienen sich eben nicht nur die Kundschaft, son-dern auch die Kochenden der Hobenköök, die daraus ganz spontan, je nach Auslage, neue Va-riationen der Speisekarte im Restaurant entstehen lassen. Ganzheitlich heißt dabei auch, möglichst das gesamte Lebensmittel zu verwerten. Radieschenblätter werden zu Suppe, aus Gemüseresten wird Brühe gekocht, Käseabschnitte kommen in den Käsesalat, aus den Fleischabschnitten werden die äußerst beliebten Frikadellen, oder sie landen in der hausgemachten Bolognesesoße. Die Hobenköök zieht Urlaubende und Hamburger*innen gleichermaßen an. Aus aktuellem Anlass sind Erstere dieser Tage noch rar, dafür finden mehr Einheimische den Weg ins Oberhafen-Quartier. Und die haben sich vermehrt gewünscht, möglichst ihren kompletten Einkauf in der Hobenköök zu erledigen. Und wenn es benötigt wird, lassen sich eben auch das heiß begehrte Klopapier oder die Bananen aus Übersee in der Hobenköök erstehen. 

Die Markthalle, gelegen in Hamburgs Oberhafenquartier.

Die Hobenköök gibt Liefernden, Anbauenden und Manufakturen aus der Umgebung ein Gesicht. Das Team kennt sie fast alle persönlich, weiß um die jeweiligen Vorzüge der Produkte und hat auch gerne mal die eine oder andere Anekdote parat. Mehr als 70 Prozent des Sortiments stammt aus dem direkten Umland. Selbst Ingwer, der laut Thomas „nicht dieses trockene Zeug aus dem Supermarkt“ ist, stammt aus der Lüneburger Heide. Die Milch kommt von Kühen, die gemeinsam mit ihren Kälbern auf der Weide in Schleswig–Holstein stehen dürfen, das Fleisch von Tieren, die in unmittelbarer Nähe des Bio-Zuchtbetriebes geschlachtet und möglichst komplett verwertet werden.

„Wir kennen die Bauer*innen, die Fischer*innen, die Molkereien und auch die meisten Manufakturen persönlich und wissen, wie sie sich für gute Böden, artgerechte Tierhaltung und beste Lebensmittel einsetzen. Uns geht das Herz auf, wenn sie hier ankom-men, mit immer wieder neuen, wirklich tollen Produkten und diese in die Regale und Frische-Theken einräumen.“

Wenn man mit Thomas durch die Hobenköök schlendert, merkt man schnell, dass man mit einem Überzeugungstäter spricht, der seinen Beitrag dazu leisten will, dass „auch noch unsere Enkel echte Lebensmittel kaufen und genießen können“. Und dass sich unsere Umwelt merklich verändert, zeigt sich zum Beispiel am „catch of the day“ Thunfisch. Unseren irritierten Blick erkennend, klärt uns Thomas schnell auf, dass der Fisch vom Handelnden seines Vertrauens kommt und den Fischenden tatsächlich in Dänemark ins Netz ging. Ein Glücksfall, sollte man meinen. Aber tatsächlich ein weiterer Grund, warum wir uns Gedanken über unsere Umwelt und deren Belastung machen sollten. Der Thunfisch ist ein Raubfisch. Und wenn sich Beutefische aufgrund der wärmeren See höher in den Norden wagen, folgen die Jäger. Mit Auswirkung auf das gesamte Ökosystem. Respektvoller Umgang mit der Natur heißt aber auch, in so einem Fall die Pläne umzuschmeißen und das ganze Tier zu verarbeiten.

In der Markthalle kommt mehr als 70 Prozent des Sortiments aus dem direkten Umland.

Auf Angebot und Nachfrage reagieren die drei Macher*innen der Hobenköök flexibel. Der Weg zum eigenen Spirituosen-Label scheint ebenso leicht wie beliebt. Getränke Start-ups schießen wie Pilze aus dem Boden. Gefühlt hat der Großraum Hamburg mittlerweile mehr lokal produzierte (oder mindestens erdachte) Gin-Sorten im Programm als London. Und da sich Rum, Korn, Craftbier und alles andere, was man irgendwie durch gären, destillieren oder anderweitige Verfahren in großartige alkoholhaltige Getränke aus dem Norden verwandeln kann, erweitern lässt, ist jüngst auf einer Empore eine Spirituosenabteilung entstanden. Vielleicht ist Corona am vermehrten Bedarf schuld, wahrscheinlich aber das Qualitätsbewusstsein der Kundschaft. Im Moment ist die Hobenköök vor allem Vollsortiment-Indoor-Marktplatz mit einer unglaublichen Fülle von regionalen Köstlichkeiten. Aber die Zeiten ändern sich auch wieder. Wenn die Masken fallen, dann ist die Hobenköök auch ein großartiges Restaurant mit einer einfachen, authentischen und überraschenden Küche aus saisonalen und regionalen Zutaten. In tollem Ambiente, mit ihrer leichten Trubeligkeit, die ein bisschen an Urlaub in Spanien oder Italien erinnert. Genau, fehlt eigentlich nur noch ein bisschen Musik. Zum Beispiel bei „Musik & Stulle“, kleinen feinen Konzerten mit leckeren Marktstullen als Begleitung. 

Buchen lässt sich das Programm auf hobenkoeoek.de. Dort könnt ihr übrigens auch den etwas anderen Kochkurs mit Thomas Sampl buchen. Bei „Smutjes Landgang“ nimmt euch Thomas mit auf einen Hamburger Wochenmarkt, verrät euch Tricks und Kniffe für den Einkauf von re-gionalen Lebensmitteln und zeigt euch zum Abschluss noch in einem Kochkurs, wie ihr sie perfekt zubereitet. Zwischen Marktbesuch und Kochkurs gibt es noch eine besondere Stadtführung abseits ausge-tretener Pfade durch den Stadtteil des jeweiligen Wochenmarktes. Das ist selbst für Hamburg-Kennende etwas neues, für Besuchende sowieso.

Dieser Artikel ist im SEASIDE Magazin 2021 erschienen.

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Autor: Adrian Weinhold
Fotos: Simon Vogler