Adnan Buyuk/Shutterstock.com
Foto: Adnan Buyuk/Shutterstock.com

Schatzsuche vor Helgoland

 

Auf dem Meeresgrund der Deutschen Bucht liegen rund 4.000 Wracks – in der gesamten Nordsee sind es mehr als 50.000! Sie beim Wracktauchen ausfindig zu machen, ist nicht leicht. Doch oftmals lohnt sich der Aufwand.

Andreas Peters und sein Team wa­gen sich mit moderner Tauchausrüstung bei starker Strömung und schlechter Sicht in die Tiefen vor und suchen nach wertvoller Fracht: Gold, Silber, Rohstoffe, Maschinenteile oder sehr persönliche Habseligkeiten der qualvoll Ertrunkenen.

Foto: Andi Peters
„Ich will Abenteuer!“, so Andi Peters‘ Lebensmotto. Der 44-jährige gilt als Pionier des Wracktauchens in den vielfach noch unbekannten Tiefen der kalten Nordsee. Die interessantesten Schiffswracks finden er und sein Team zwischen Borkum, Helgoland und Sylt. Foto: Andi Peters

Bei der Wracksuche steht für Andi neben dem Finden von Schätzen ebenso die Geschichte des Schiffes im Vordergrund. Sein großes Interesse gilt neben der Fracht auch den Passagieren, ihrer Herkunft, ihrem Leben – bevor sie in der kalten Nordsee jammervoll ertranken. All diese Informationen sind auf dem Meeresgrund verborgen – und wollen entdeckt werden. In Archiven und Büchern begann auch die Suche nach drei britischen U-Booten, die 1940 vor Helgoland durch feindliche Wasserbomben versenkt worden waren. Erst nach der Recherche begann mit dem eigenen Kutter die Tauch-Expedi­tion. Die Wrackstellen werden mit­tels Kartenmaterial und einem Multibeam-Sonar gesucht. Bei einem der Tauchgänge zum versunkenen U-Boot in 42 Metern Tiefe wäre der erfahrene Taucher beinahe verunglückt, weil er sich in einem alten Fischernetz verfing. Aber Andi hatte Glück und konnte sich auch aufgrund seiner langjährigen Tauch­erfahrungen befreien.

Andi ist Nautiker mit Kapitänspatent. Er taucht seit Kindheit an. Die Nordsee hat für ihn eine ganz besondere Tauch-Faszination, nachdem er schon in Ägypten, den Malediven, Mexiko und Spanien nach Wracks getaucht hat.

Den Goldschatz finden

Sein erstes Nordseewrack war zehn Seemeilen vor Amrum in der Seekarte verzeichnet: Die „Amstelland“ und mit ihr 6,5 Tonnen Silber sollten auf dem Grund der Nordsee liegen! Nach dem Aufspüren des Wracks stellte sich jedoch heraus, dass diesen Schatz bereits gleich nach dem Untergang einheimische Sylter geplündert – und die Schiffbrüchigen erschlagen hatten.

In die Profiliga der Schatzsucher stieg Andi erst mit seinem Kutter „Venus“ auf, mit diesem Schiff konnte er auf die Suche nach den vielen in der Deutschen Bucht liegenden Wracks gehen. „Da liegen Milliarden“, so Andi euphorisch. Rohstoffe wie Messing oder Kupfer, Schiffbaumaterialien, aber auch Maschinenteile, dazu Bronze, Silber, Gold, Porzellan. In einem Schiff kann man mehr als zehn Tonnen Kupfer finden – eine Tonne bringt 6.800 Euro.

Die intensive Vorbereitung für eine Tauchexpedition ist darum sehr wichtig, es müssen Ladungspapiere, nautische Jahrbücher und Seekarten ausgewertet werden, um Erfolg bei der Schatzsuche zu haben. Die Suche beginnt zunächst an Land. Andi Peters hat inzwischen ein eigenes, umfangreiches Archiv aufgebaut – und er hat einige Hundert Wracks betaucht.

Foto: Hapag
Die „Cimbria“, ein Segelschiff mit Dampfmaschine, kollidierte 1883 vor Borkum mit einem englischen Kohledampfer. 427 Menschen gingen mit ihrem gesamten Hab und Gut unter – eine schreckliche Geschichte. Aber ein Traum für Wracktaucher. Foto: Hapag

Seit 1998 leitete er verschiedene Projekte, darunter die Bergung der „Cimbria“. Die „Cimbria“ sank 1883 vor Borkum, mit ihr mehr als 400 Menschen. Und mindestens eine Million Goldmark. Im Wrackmuseum in Cuxhaven entdeckte Andi Fotos und die wichtigsten Informationen: Ein Dampfschiff der Hamburg-Ameri­kanischen Packetfahrt Actien Gesellschaft (Hapag), gebaut 1868 in Schottland. Die Dampfmaschine lieferte 1500 PS. Dazu hatte das Schiff zwei Masten mit Rah- und Stagsegeln. Die „Cimbria“ war schon 94 Mal von Hamburg nach New York gefahren, bis zu diesem unglückseligen Tag. Für Andi klang das alles wie die Geschichte einer deutschen „Titanic“.

Kollision im Nebel

Als die „Cimbria“ am 17. Januar 1883 von Hamburg Richtung Cuxhaven fuhr, herrschte in der Elbmündung dichter Nebel. Um 2 Uhr der darauffolgenden, bitterkalten Winternacht kollidierte sie vor Borkum Riff mit dem englischen Kohledampfer „Sultan“. Die „Cim­bria“ sank schnell, denn die Schotten waren unverschlossen, um den Passagieren im Zwischendeck Luft zum Atmen zu lassen. 401 Passagiere und 92 Mann Besatzung müssen binnen 15 Minuten das Schiff verlassen. 427 verlieren ihr Leben im eiskalten Wasser. Die Passagiere waren größtenteils Auswanderer, die mit ihrem gesamten Hab und Gut untergingen. Dies weckt nicht nur in einem Profi-Schatzsucher Fantasien von Unmengen Schmuck und Gold in den Tiefen der Nordsee.

124 Jahre nach dem Untergang fuhren Andi und sein Team von Büsum kommend zu der Untergangsstelle. Adrenalin pur. Das Tauchen in der stark strömenden Nordsee ist nur bei Stauwasser, wenn Ebbe und Flut sich ablösen, für knapp eine Stunde möglich. Glücklicherweise war das Wasser klar wie selten, die Nordsee zeigte eine smaragdgrüne Farbe, als sie zum Wrack hinabtauchten. Das in den Vorstellungen der Taucher intakte Wrack fanden sie jedoch nicht. Vielmehr ein Trümmerfeld von hundert Metern Ausmaß. Das Schiff lag tief im Sand versunken, vorne konnten sie die Ankerwinde erkennen, mittschiffs den Dampfkessel und achtern Ruderblatt und Schraube – alles überwuchert von Muscheln und Algen, bevölkert von Hummern und großen Krebsen. Trotzdem wa­ren die Taucher fasziniert. Andi Peters erklärt seine Emotionen so: „Der Anblick eines Wracks, dessen Geschichte man genau kennt, lässt dich die Ertrunkenen sehen! Schreiende Menschen, Mütter mit Babys und Kleinkindern, Paare, die sich entsetzt aneinander klammern…“

17 Passagiere der „Cimbria“ konnten sich in den Mast retten, der noch aus dem Wasser ragte, 39 in Rettungsboote. Sie waren halb erfroren, als sie elf Stunden später von einem Segelschiff geborgen wurden.

Fundstücke bewahren

Es ist eben ein Unterschied, ob man nach Kupfer taucht oder historische Schätze vermutet, wie bei der „Cimbria“. Das erste, was Andi im Sand ertastete, war ein Knopf. Hunderte von Fundstücken wurden nach oben gebracht: wertvolle Porzellanpuppen, Weinflaschen, ein kaputtes Waschbecken, wunderbare Hummerschalen. Die Investoren der Tauchexpedition wollten alles verkaufen. Aber Andi war dagegen: „Nein, dann ist es für immer weg.“

Für ihn ist das eine Gewissensfrage. Es wurde nichts verkauft, sondern eine Ausstellung konzipiert. Dazu wurde ein Theaterstück mit norddeutschen Schauspielern entwickelt und eine CD produziert. Andi Peters und sein Team wollen keine Wrackplünderer sein. Sie wollen die Geschichte der Schiffe und ihrer Passagiere bewahren. Eine Sammlung der „Cimbria“-Funde kommt ins Auswanderermuseum Ballinstadt in Hamburg. Dann hat Andi etwas für die Ewigkeit bewahrt.

Auf dem Wrack der „Cimbria“ ist heute außer ein paar Kisten nichts mehr zu holen. Die Laderäume sind leer. Zersetzt vom Salzwasser. Zerfressen von Bakterien. Weggeschwemmt von der Strömung.

Dafür hat Andi schon neue Pläne: Es gibt da die Geschichte um ein Schiff, die „Maria“, das vor Helgoland gesunken ist. Das würde er gerne finden und erforschen – eine richtig große Schatzsuche.


Andi Peters, 1973 im schleswig-holsteinischen Meldorf an der Nordseeküste geboren, sucht wie seine Vorbilder Hans Hass und Jacques Cousteau das Abenteuer Tiefe – insbesondere in der Nordsee. Investoren und materielle Unterstützung für die Ausrüstung ermöglichen die Suche nach Wracks und deren Schätze. Zu seinem 20jährigen Tauchlehrer-Jubiläum begann im letzten Jahr die Filmproduktion „Die Wracktaucher – Schätze der Nordsee“. Das Fernsehteam begleitet Andi auch 2017. Die Staffel wird von Dmax ausgestrahlt. Andis Buch „Nordseetaucher“ liegt aktuell in der 2. komplett überarbeiteten Neuauflage vor.

Der Artikel „Schatzsuche vor Helgoland“ ist im SEASIDE Magazin 2017 erschienen, das in unserem Shop erhältlich ist.