Der Gewöhnliche Schweinswal wurde von der Deutschen Wildtier Stiftung zum Tier des Jahres 2022 gewählt. Damit soll vor allem auf die wachsende Bedrohung der Art aufmerksam gemacht werden. (Text und Fotos: Sebastian Conradt)

Wie Phoenix aus der Asche – ausgestorbene Wildtiere erobern den Norden

Einst ausgestorbene Wildtiere und exotische Arten erobern den Norden

Oftmals im Zuge natürlicher Entwicklungen, aber auch als Erfolg des Naturschutzes haben sich in den letzten Jahren längst verschwundene Arten und auch neue Wildtiere in unseren Landschaften angesiedelt. Sie bereichern die biologische Vielfalt – und das Naturerlebnis –im Norden enorm. Und manchmal kommen sogar seltene Exoten zu einer Stippvisite vorbei…

Diese Wildtiere sind im Norden wieder heimisch

Möwen sind von unseren Küsten nicht wegzudenken, ebenso wenig wie Seehunde und Seeadler. Und auch Krabben, die von den Brötchen, die biologisch korrekt Garnelen heißen, gehören einfach hierher. Typisch norddeutsch eben! Doch so beständig, wie man meinen könnte, ist die Tierwelt in Norddeutschland und auch andern-orts nicht. Internationale Studien gehen davon aus, dass weltweit bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten aussterben – jeden Tag! Mehr als 7000 Tierarten sind hierzulande gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht, allein ein Drittel aller Säugetiere. Der Verlust der biologischen Vielfalt stellt neben dem Klimawandel die größte ökologische Katastrophe unserer Zeit dar. So sind aus Deutschland bereits vor 500 Jahren der Auerochse und das Wildpferd verschwunden, der Braunbär folgte 1864, das Euro-päische Ziesel erst etwa 1985. Und dies sind nur die „prominenten“ Arten. Im Norden stehen der bis in die 1830er Jahre auf Helgoland brütende Papageientaucher auf der Liste der verlorenen Tierarten, außerdem der zu den Delfinen gehörende Große Tümmler, der sich seit etwa 1970 nicht mehr in der deutschen Nord- und Ostsee fortpflanzt. Die letzte Brut eines Steinwälzers, der ein kleiner Küstenvogel ist, konnte 2005 in Schleswig-Holstein beobachtet werden. Seitdem gilt auch er als ausgestorben. Der Niedergang der Tierwelt gehört leider nicht der Geschichte an. Als in Deutschland vom Aussterben bedroht sind aktuell der Feldhamster, verschiedene Fledermausarten und die Europäische Sumpfschildkröte gelistet, in unseren Meeresgebieten ebenso der Zwergwal, Glattrochen und Dornhai. Der Verein Jordsand hat den Eissturmvogel zum Seevogel des Jahres ernannt – 2021 haben nur noch 25 Paare auf Helgoland gebrütet. Unter den Vögeln besonders dramatisch betroffen sind alle bei uns vorkommenden Seeschwalben-Arten, deren Brutkolonien auf flachen Stränden und Halligen immer öfter vom steigenden Meeresspiegel weggespült werden. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Viele neue Wildtiere und auch außergewöhnliche Arten siedeln sich in unseren Landschaften an und schaffen ein ganz neues Naturerlebnis im Norden!

Wolf

Rund 150 Jahre lang war der Wolf in Deutschland ausgestorben, bis im Frühjahr 2000 in Sachsen erstmals wieder wildlebende Wolfswelpen das Licht der Welt erblickten. Seitdem breitet sich Isegrim in Deutschland aus und gelangt entlang der Elbe auch in den Norden. Derzeit sind 128 Rudel, 35 Paare und zehn Einzeltiere in ganz Deutschland heimisch. 

Wildkatze

Wildkatzen gehören in die Naturlandschaften Europas und waren hier seit jeher weit verbreitet. Doch die Zerstörung und Zerstückelung ihrer Lebensräume sowie der Straßenverkehr haben den Beständen schwer zugesetzt. Nur einigen Naturschutzprojekten ist es zu verdanken, dass wir heute wieder rund 7000 Wildkatzen in deutschen Wäldern zählen. 

Luchs

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam der Luchs in Mittel- und Südeuropa nur noch in abgelegenen Rückzugsgebieten der Pyrenäen, Alpen und Karpaten vor. In Deutschland war er bereits um 1850 verschwunden. Dank verschiedener Ansiedlungsprojekte leben aktuell wieder rund 130 ausgewachsene Luchse im Land – mit eindeutig steigender Tendenz. Auch im Harz wurden zwischen 2000 und 2006 mehrere Luchse ausgewildert. 

Elch

Seitdem 2001 in Polen ein Jagdverbot auf Elche verhängt wurde, wandern diese größten aller Hirsche von Osten wieder nach Deutschland ein, wo sie noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts beheimatet waren. Man geht davon aus, dass inzwischen mehr als zehn Elche in Deutschland permanent leben und sich fortpflanzen, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Bayern. Im Herbst 2013 starb ein Elch bei einem Verkehrsunfall auf der Ringautobahn um Berlin.

Nandu

Der Nandu ist – wie der Waschbär, die Rotwangen-Schmuckschildkröte oder die Tigermücke – ein typischer Vertreter invasiver Arten, die als Fremde nach Deutschland verschleppt werden und sich hier mit einer stabilen Population etablieren. Mehr als 260 solcher Neozoen gibt es bereits im Land. Zur Jahrtausendwende sind in Schleswig-Holstein sechs Nandus aus einem Gehege entkommen und haben sich an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt. Die aus Südamerika stammenden Laufvögel fühlen sich hier so wohl, dass die Herde auf bis zu 600 Tiere angewachsen ist. Seit zwei Jahren wird der Bestand nun jagdlich kontrolliert.

Wisent

Der „europäische Büffel“ ist seit dem Mittelalter gnadenlos bejagt worden und in der Folge in Deutschland bereits vor 1700 ausgestorben. Der letzte freilebende Wisent wurde 1927 im Kaukasus erlegt. Überleben konnte die Art nur, weil einige wenige Tiere noch in Zoos und Tiergehegen gehalten wurden, deren Nachkommen man vor allem in Osteuropa ausgewildert hat. Im Jahr 2013 startete eine Wiederansiedlung im Rothaargebirge (Nordrhein-Westfalen), 2017 wanderte ein Wisent von Polen nach Brandenburg ein, wurde dort aber abgeschossen. 

Seeadler

Bereits 1968 wurde in Schleswig-Holstein die „Projektgruppe Seeadlerschutz“ gegründet, um die letzten westdeutschen Exemplare unseres Wappenvogels zu retten. Es waren nicht mehr als eine Handvoll Brutpaare, allesamt angesiedelt im nördlichsten Bundesland, von denen jedoch nur ein einziges erfolgreich brütete. Engagierte Natur-schützer gingen in den Wald und bewahrten die einzelnen Horste vor Störungen. Anfang der 1970er Jahre folgte das Verbot des Insektizids DDT, das über die Nahrungskette zu besonders dünnen Eischalen geführt hatte, die während der Brut zerbrachen. In Deutschland gibt es heute wieder rund 850 Brutpaare des größten unserer Greifvögel, hauptsächlich in Mecklenburg-Vorpommern. 

Kegelrobbe

Noch in den 1970er Jahren galt das größte Raubtier Deutschlands als fast ausgestorben. Konsequenter Schutz führte dazu, dass im Winter 1996/97 ein Jungtier auf Helgoland geboren wurde. Seitdem haben sich im Wattenmeer wieder mehr als 5400 Tiere der atlantischen Popu-lation angesiedelt und an den Stränden Helgolands zuletzt fast 700 Baby-Robben das Licht der Welt erblickt. In der Wurfsaison 2021/22 gab es einen neuen Geburtenrekord. Auch die Baltische Kegelrobbe im Ostseeraum erholt sich nach Einstellung der Jagd. Seit 2005 leben durchgängig bis zu 300 Tiere im Greifswalder Bodden, 2018 konnte nach rund einhundert Jahren eine Geburt am Kap Arkona auf Rügen nachgewiesen werden. 

Seltene Besucher kommen in den Norden

(Foto: Jannik Peters)

Nachdem es nicht mehr als drei einzelne Beobachtungen in deutschen Nordseegewässern weitab vor der Küste gegeben hatte, kam in den Sommermonaten von 2014 bis 2019 regelmäßig ein Schwarzbrauenalbatros zu Besuch nach Helgoland und ans Rantumbecken auf Sylt. Diese Hochseevögel mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,50 Metern leben regulär in der windreichsten Region der Erde über den Ozeanen der Südhalbkugel. Die größte Brutkolonie mit rund 500.000 Paaren befindet sich auf den Falklandinseln. Am 7. September letzten Jahres ließ sich nach 1998 erstmals wieder ein Walross im Wattenmeer blicken. Das aus der Arktis, vermutlich von Spitzbergen stammende und später „Freya“ genannte Tier war vor Baltrum aufgetaucht und stattete in den folgenden Tagen auch Spiekeroog, Wangerooge und Borkum einen Besuch ab, bevor es in die Niederlande weiterzog. Noch bis November 2021 war es die Attraktion des Hafens von Den Helder. Erst im Januar dieses Jahres haben Naturschutzwarte auf der Insel Wangerooge zwei seltene Kurzschnäuzige Seepferdchen entdeckt. Ein einzigartiger Fund, denn auch wenn die Tiere leblos waren, lassen gleich zwei angespülte Tierchen eine Erholung des Bestandes vermuten. Denn eigentlich sind Seepferdchen bereits seit 1930 aus der Nordsee verschwunden – Aufgrund einer Pilzinfektion des Seegrases hatten sie damals auf einen Schlag ihren Lebensraum verloren.