Wir haben Inhaber Fabio Haebel in der XO Seafoodbar zum Interview und für die Fotoproduktion unserer diesjährigen Kochstory im Hamburger Stadtteil St. Pauli getroffen.

Seaside trifft Nordic Seafood

Nordeutsche Fischküche im Herzen von Hamburg, in der XO SeafoodBar

Die Sonne scheint, die Straßen im Hamburger Szeneviertel füllen sich langsam mit verschlafenen Bewohner*innen und mit Lokalbetreiber*innen, die in der Paul-Roosen-Straße auf St. Pauli zu Hause sind. Als wir in der XO Seafoodbar ankommen, ist Gründer Fabio Haebel bereits vor Ort und sitzt am Tresen des offenen Restaurants, während in der Küche schon fleißig gebrutzelt wird. Fabio Haebel begrüßt uns herzlich, wir sprechen über die Gerichte und kommen schnell zur Sache. Auf dem Plan steht ein extra für SEASIDE kreiertes norddeutsches Drei-Gänge-Menü: Vorweg gibt es das Crudo vom Streifenbarsch aus dem Selenter See in Schleswig-Holstein, gefolgt von der Spezialität des Hauses, der Pasta Krabbe mit Büsumer Krabben. Eine Crème Brûlée, serviert in einer halben Zitrone, rundet das Menü ab.

Foto: Simon Vogler Gründer Fabio Haebel legt in der XO Sea–
foodbar Wert auf einen „verantwortungs-bewussten Umgang mit der Natur“. Dazu gehört ganz besonders: „zu wissen, woher die Produkte und Lebensmittel stammen“.

Während Jung-Koch Fynn und Köchin Selina in der Küche am Vorbereiten sind, erklärt Fabio Haebel für unsere Fotoproduktion: „Ich mache alles, aber eine Kochjacke ziehe ich nicht an.“ Das wäre nicht transparent, der Spitzenkoch ist gerne ein herzlicher Gastgeber, aber in der Küche stehe er einfach nicht mehr. Kein Wunder, seine Zeit dürfte ziemlich eng getaktet sein. Neben der XO Seafoodbar ist er Inhaber von fünf weiteren Firmen: dem Fine Dining Restaurant Haebel, schräg gegenüber der XO Seafood-bar, welches kurz nach unserem Treffen einen Michelin-Stern für sich gewinnen kann. Hinzukommt die Baegeri Hamburg, eine Sauerteigbäckerei im modernen Stil, das Studio Haebel, eine konzeptionelle Gastronomie-Beratung, und auch das neugegründete Circus-Food-Delivery-Start-up gehört zu seinem Business. Für uns hat er sich dennoch ausgiebig Zeit genommen. Während Selina den Schittlauch schneidet, erklärt uns der Chef der firmenübergreifend insgesamt 250 Mitarbeiter*innen die Mission der XO Seafoodbar: „Nachhaltigkeit im Fischrestaurant ist so ziemlich die schwierigste Aufgabe, die man sich vornehmen kann.“ Die Überfischung der Meere und alles, was damit einhergeht, sei allgegenwärtig. „Daher müssen wir ganz genau hingucken und uns fragen: Wo kommt unser Fisch her, aus welchem Fanggebiet, welche Saisonkalender und welche Schonzeiten gilt es zu beachten?“ Alle verwendeten Produkte sind regional. „Unseren Fisch beziehen wir direkt von den kleinen Booten der Küstenfischer*innen, ohne zwischengeschalteten Großhandel.“ Es gibt kein Schleppnetz, alles ist leinen-geangelt. Dabei wird versucht, alles vom Fisch zu verwerten. „Die Gräten gehen in den Fond, manche Schuppen kann man frittieren, die Kiemen kochen wir aus. Der Schwanz, das Maul und der Unterkiefer sowie beispielsweise der Bauchlappen vom Seeteufel – das alles wird komplett verarbeitet.“ Das Gemüse bezieht die XO Seafoodbar zudem vom Gut Haidehof im schleswig-holsteinischen Wedel, welcher laut Fabio Haebel „zu den regenerativsten Agrarkulturen, die es derzeit in Europa gibt“, gehört. Die Molkereiprodukte liefert die Molkerei Hasenfleet aus Nieder-sachsen, der Kaffee kommt aus einer Hamburger Rösterei, und die Weine haben mindestens Bio-Standard und kommen größtenteils aus Deutschland.

Foto: Simon Vogler Die XO Seafoodbar, welche im März 2023 dreijähriges Jubiläum feierte, lädt mit modernem Interieur, offener Küche sowie großer Cocktail-Bar zum Verweilen ein.

Und warum heißt es im Namen nun Bar und nicht Restaurant? Fabio Haebel erklärt: „Bei uns soll es locker zugehen, auch lauter werden können und bloß nicht stocksteif sein. Wir wollen offen für diverse Kund*innen-Gruppen sein, bieten eine Küche bis 22 Uhr und neben kleinen Menüs auch viele kleine Teller zum Teilen und eine anspruchsvolle Cocktailkarte. Hier ist es auch erlaubt, die Tische zusammen-zuschieben und mit den Köch*innen in der offenen Küche zu quatschen – alles gleicht eher einer Bar-Atmos-phäre, ganz ungezwungen eben.“ Fabio Haebels Wunsch ist, dass sich alle Gäste wie zu Hause fühlen. „Obwohl, das ist immer so eine Sache“, meint der Spitzenkoch und fügt hinzu: „Nachher legen die Gäste ihre Füße hoch und pinkeln im Stehen, das wollen wir natürlich nicht“, lacht er und schiebt nach: „Dann vielleicht doch lieber ein Gefühl wie bei guten Freunden zu Hause.“

Das urige Viertel spielt ihm dabei in die Karten. Fabio hat für die Baegeri, die XO Seafoodbar und das Haebel St. Pauli als Heimatstätte gewählt. „Man muss sich einlassen auf das, was hier los ist.“ Und das kann nahe der gutbesuchten Rotlichtmeile schon mal ganz schön viel sein, gibt er zu verstehen. „Es muss einem einfach bewusst sein, wo man hier ist. Dabei gilt es, Respekt für das Viertel mitzubringen, für die Bewohner*innen und die Geschichte.“ Besonders schön sei die gelebte Authentizität hier auf St. Pauli. Denn die ist für Fabio Haebel ein wichtiges Stichwort, daher soll es auch für uns Authentisches geben – norddeutsch und auf Tellern serviert. „Pasta Krabbe ist unser Signature-Dish und meistverkauftes Gericht“, erklärt er.
„Tatsächlich reisen die Leute sogar an, um es zu probieren, worüber wir uns natürlich besonders freuen“, gibt der Inhaber zu verstehen. Aber alles der Reihenfolge nach: Wir starten mit dem Streifenbarsch…

Foto: Simon Vogler Auch das „Crudo vom Streifenbarsch“ ist aus regionalen Produkten: Der Fisch kommt aus dem Selenter See in Schleswig-Holstein.

Schleswig-Holsteinischer Streifenbarsch

Zur Vorbereitung wurde der Fenchel (eine Knolle) gewaschen und hauchdünn aufgeschnitten, mit Salz abgedeckt (pro 1 kg Fenchel 2 Prozent Salz) und ohne Luftzufuhr zwei Tage ruhen gelassen. Vor Ort nehmen die zwei Köch*innen den Fisch auseinander. In einem Liter Wasser mit 25 Gramm Salz werden die Filets 30 Minuten gebeizt und anschließend in feine Tranchen geschnitten. Für den Sud werden fünf Blutorangen entsaftet, je zwei Zitronen und zwei Limetten gepresst und mitein-ander vermengt sowie mit Salz, Zucker und ein wenig Chilipaste abgeschmeckt. Ein Bund Liebstöckel wird gewaschen, die Stiele entfernt und nur die Liebstöckelblätter mit Öl ganz fein püriert und anschließend durch ein Sieb passiert. Zum Anrichten wird der Teller mit dem Blutorangen-Sud befüllt, gerade so viel, dass der Tellerboden bedeckt ist. Je nach Belieben werden die Fisch-Tranchen auf dem Sud verteilt. Der Fenchel wird mit etwas Olivenöl angemacht auf dem Fisch angerichtet und mit etwas Liebstöckelöl beträufelt.

Foto: Simon Vogler Die Büsumer Pasta Krabbe mag auf den ersten Blick etwas bräunlich anmuten. Doch die dunkle Farbe entsteht beim Anrösten der Nordseekrabben für den Fond. Das leckere Signature-Dish lockt sogar überregionale Kund*innen nach Hamburg-St. Pauli. 

Büsumer Pasta Krabbe

Ein kleiner Bund Schnittlauch wird in feine Ringe geschnitten, während die Spaghetti (500 g) in kochendem Salzwasser al dente gekocht werden. Die Büsumer Krabben (250 g) sind handgepult. Die Schalen ihrer Köpfe werden ganz dunkel geröstet, woraus – je nach Geschmack mit weiteren Zutaten – der karamell-farbene Krustentierfond (ein Liter) entsteht. Dieser wird mit etwa 120 g Butter auf mittlerer Hitze runter reduziert, dann die Krabben hinzugegeben und für einige Minuten weiter reduziert. Anschließend wird die Al-dente-Pasta dazu-

gegeben, das Ganze mit Pfeffer und Salz abgeschmeckt und eingerührt, bis eine cremige Konsistenz entsteht. Mit einer Küchenpinzette oder -zange wird die Pasta aufgewickelt und auf einem tiefen Teller angerichtet, ein Löffel Krabben oder alternativ roter Kaviar wird zusätzlich auf die Pasta garniert und rundet mit bestreutem Schnittlauch die herrlich-süffige Pasta ab.

Crème Brûlée serviert in einer halben Zitrone 

Foto: Simon Vogler Fisch macht Appetit auf Süßes, daher gibt es zum Nachtisch eine köstliche Crème Brûlée in einer halben Zitrone – mit einem Bunsenbrenner in der offenen Küche flambiert.

Für um die vier Personen benötigen wir je nach Fruchtgröße etwa zehn Zitronen. Diese werden länglich halbiert und mit einem Löffel ausgehöhlt. 200 ml Milch, 200 ml Sahne, 120 g Zucker, zwei Eigelb, 2 EL Stärke, ein Ei und etwas Vanillemark oder Zitronensaft sowie Orangen-Abrieb werden in einer Schüssel verrührt und anschließend aufgekocht – dabei wird immer gerührt! Zum Schluss wird die kalte Butter dazugegeben und eingerührt. Nachdem die Mischung abgekühlt ist, werden die halben Zitronen bis zum Rand befüllt und mit braunem Zucker bestreut. Mit dem Bunsenbrenner wird der Zucker abgeflämmt bis eine braune Kruste entsteht. Fertig und sofort warm genießbar! 

Foto: Simon Vogler