Seit einigen Jahren liegen diese schwimmenden Häuser fest am Ufer vom Victoriakai im Stadtteil Hammerbrook, nah an Hamburgs City. (Floating Homes)

Floating Homes – Wohnen auf dem Wasser in Hamburg

Schwimmende Häuser gibt es bislang sehr selten, obwohl viele Menschen den Traum vom Wohnen auf dem Wasser leben möchten. In Hamburg zwischen Elbe und Alster mit den vielen Kanälen siedeln sich immer häufiger Hausboote an. SEASIDE fordert dafür mehr Flächen und beschreibt den Weg zur Erfüllung dieses Traums.

Hausboote in Hamburg

In einem schwimmenden Haus leben – diesen Wohntraum erfüllte sich auch der Schlagersänger Gunter Gabriel mit seinem eigenen Hausboot mit Liegeplatz im Hamburger Hafen. Nach seinem Tod fanden auch Youtuber Fynn Kliemann und Musiker Olli Schulz diese Idee fantastisch. Beim Ausräumen, Entkernen und Renovieren des Schiffes erlebten die beiden viele technische Schwierigkeiten (Netflix: „Das Hausboot“). Schließlich, nach vielen Mühen, Arbeitsstunden und einem sehr großen finanziellen Aufwand wurde das schwimmende Haus in rosafarbenem Anstrich Realität. Darin befinden sich nun ein komplettes Tonstudio, Küche, Schlafräume und eine großzügige Dachterrasse. Das Boot liegt gut vertäut in der Billwerder Bucht, Kaltehofe, und wer will, kann es mieten, etwa für Veranstaltungen, Tonaufnahmen oder zum gemeinsamen Musikmachen. Vis-à-vis des Liegeplatzes türmt sich riesig das Heizkraftwerk Tiefstack auf. Das ist der Ausblick. Zwar ist die Kaltehofe, ein Gelände mit einer ehemaligen Trinkwasser-Filteranlage, das unter Naturschutz steht, ganz wildromantisch. Aber es ist hier auch einsam. Ein paar andere Hausbootbesitzer*innen trifft man zuweilen, die hier ihre Werkstätten betreiben. Wenn der Firmensitz auf einem schwimmenden Haus angemeldet ist, gibt es auch eine offizielle Adresse, es darf ein Briefkasten aufgestellt werden, sodass die Post ankommt. Gibt es in der Werkstatt oder dem Atelier auch noch ein Bett, das ab und zu genutzt wird, hat sicher niemand etwas dagegen. Im Winter ist es eh zu kalt an Bord. Offiziell genehmigt werden von der Stadt Hamburg Hausboote oder schwimmende Gebäude nur an sehr wenigen Stellen in den Kanälen oder Buchten der City. Und hier macht man auch einen Unterschied: ein Hausboot kann (weg)-fahren. Ein schwimmendes Haus liegt fest. Es benötigt Zu- und Abwasser-Anschlüsse, Kabelverbindungen für Strom, Landverbindungen, auch eine – sichere – Brücke, um an und von Bord zu kommen. Liegeplätze für beide Wohnformen auf dem Wasser gibt es auf der Südseite der Stadt im Harburger Binnenhafen, der tideunabhängig ist und bestens geeignet als Dauerplatz. Hier herrscht eine große Gemeinschaft von unterschiedlichsten Menschen, die in dörflicher Form zusammen-leben. Man lädt sich zum Sun-downer oder zum Abendessen ein. Aber schaut man als Besucher*in mal vorbei, ist auch eine gewisse sich abgrenzende „Schrebergarten-Atmosphäre“ zu erahnen. Es ist eben eng. Nachbar*innen auf schrottigen Hausbooten werden hier genauso beobachtet wie hippe Werber*innen, die von Bord im Homeoffice arbeiten. 

Nah am Wasser gebaut – der idyllische Ausblick aus einem schwimmenden Haus am Eilbek-kanal. (Floating Homes)

Wohnen auf dem Wasser

Ein weiteres Hausboot-Liegegebiet ist der Spreehafen vor dem hohen Wilhelmsburger Hauptdeich. Für viele ist die Möglichkeit, morgens schwimmend ein paar Runden zu drehen, eine Voraussetzung für das Leben auf dem Wasser. Das geht hier allerdings (noch) nicht, aber vielleicht entwickelt sich diese für Wohnschiffe ausgewiesene Fläche ja weiter. Festliegende schwimmende Häuser finden aufmerksame Stadtbesucher*innen auch im Stadtteil Hammerbrook am Victoriakai, im Fleet hinter dem Glasbauwerk „Berliner Bogen“, das über dem Wasser zu schweben scheint. Zum Baden ist es hier nicht einladend, aber wohl möglich. So nah am Ufer gelegen, gibt es aber auch oft Wildtiere (und „Wildpinkler“), oder auch Ratten, die vom Schiff ferngehalten werden müssen. Wen es nicht stört, dass diese Anlage mit mehreren schwimmenden Häusern von hohen Bürogebäuden umringt ist, kann hier sicher ganz schön leben. Die Arbeitswege sind kurz, man befindet sich mitten in der Stadt. Dies gilt auch für die Liegeplätze an der S-Bahnstation Hammerbrook. Viel idyllischer ist es im Eilbekkanal. Für das städtische Pilotprojekt „Wohnen auf dem Wasser“ wurde die Nordseite des Kanals ausgewählt, denn hier waren die Voraussetzungen besonders günstig. Ausschlaggebend war neben der Standortqualität in Hamburg-Uhlenhorst, direkt vor der Hochschule für Bildende Künste, vor allem die Lage an einer öffentlichen Straße. Hier gibt es die notwendigen Leitungsanschlüsse. Zudem liegen Einkaufsmöglichkeiten und öffentliche Verkehrsmittel in der Nähe. Nicht zuletzt war die erforderliche Wassertiefe vorhanden. Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens wählte eine Jury der Stadt bereits 2007 aus mehr als 80 anonym eingereichten Entwürfen nur wenige für eine Realisierung aus. Nachdem die Befestigungspfähle gesetzt und die Übergabestationen für die unterschiedlichen Landanschlüsse eingerichtet waren, konnten die schwimmenden Häuser ab 2008 realisiert werden und die Bewohner*innen einziehen. Die sogenannten „Lieger“ sind an einer zum Teil extra instandgesetzten Uferwand vertäut und zahlen entsprechend eine kleine Pacht. Es gibt hier auch Kurzzeit-Miet-angebote für Urlaubsgäste. Im Eilbekkanal wurden inzwischen weitere Liegeplätze für festliegende schwimmende Häuser vorbereitet. Weitere Hausboote findet man auch an der Dove-Elbe und an der Bille, meist im Zusammenhang mit hier angesiedelten Kleingärten oder direkter Uferbebauung.

Goldgräberstimmung am Diamantgraben

Sehr romantisch ist es auch im Diamantgraben, einem Nebenarm der Süderelbe in Form einer Sichel, der eine unbewohnte Insel in Neuland bei Hamburg-Harburg umschließt. Hier soll der neue große Hausboot-hafen Hamburgs entstehen. Der Dia-mantgraben ist den Gezeiten ausgesetzt, die Wasserstände ändern sich zwischen Ebbe und Flut also ständig. Betreiber ist die Hausboot Hafen Hamburg GmbH, Werften bauen hier Rümpfe im Kunden-auftrag. Ein Motorenservice ist vorhanden. Und die „Insel-Klause“, gelegen unter altem Baumbestand, lockt mit gegrillten Makrelen.An der Steganlage liegen alle Arten von Schiffen und Booten, Motor-flitzer, hölzerne Kähne und Hausboote, aber auch Neubauten aus Glas, Stahl und Holz gefertigt. Die Rümpfe von schwimmenden Häusern können aus unterschiedlichen Materialien gebaut werden, zum Beispiel zusammengeschweißt aus wasserfestem Aluminium, als Ein- oder Zweirümpfer, oder etwa aus Beton. Die Baumaterialien müssen einerseits den besonderen Anforderungen auf dem Wasser entsprechen: Schaukeln, Sturm, Feuchtigkeit. Andererseits bietet der Bau gegenüber Land-Häusern auch Chancen in Architektur, Raumaufteilung, Dach- und Terrassenform sowie -größe. Heute ist es zudem möglich, überwiegend autark und klimaneutral in einem schwimmenden Haus zu leben: die Energie kommt vom eigenen Dach, eine vollständige Abwasser-aufbereitung ist mittels Bio-Kläranlagen möglich. Und weil das Wohnen auf dem Wasser auch für die Städteplanung ein enormes Potential bietet, zumal bei der großen Wohnungsknappheit, wäre es wünschenswert, es würde mehr Stadtgebiete geben, die das Liegen von schwimmenden Häusern erlauben und ermöglichen. Inzwischen wurde eine DIN-Norm entwickelt, die erstmals technische Richtwerte anbietet (siehe Kasten vorige Seite). Mit diesem bautechnischen Rahmen erhofft man sich, die schnelle Entwicklung von schwimmenden Häusern auf den Gewässern zu fördern. Für Interessierte ergeben sich hier fantasievolle Planungsmöglichkeiten, denn der Kreativität sind trotzdem kaum Grenzen gesetzt. Und es bleibt die Hoffnung, dass es in der Zukunft eine Menge an attraktiven Dauerliegeplätzen geben wird. Bis dahin können wir erst einmal ein Hausboot mieten, um zu schauen, ob das überhaupt unser Ding ist.

So idyllisch gelegene Hausboote findet man vereinzelt an der Dove Elbe und an der Bille im Osten der Hansestadt Hamburg. (Undine Schaper)

Schwimmende Gebäude: Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Wohnen auf dem Wasser in schwimmenden Häusern wäre eine Entlastung des angespannten Wohnungs- und Immobilien-marktes. Grundlage wird die Bereitstellung von bebaubaren Wasserflächen sein, die zwar in großer Zahl verfügbar sind, aber planbar gemacht werden müssen. Hier ist die Politik gefordert, diese Chancen zu erkennen und umzusetzen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Bauen und Wohnen auf dem Wasser sind weitreichend. Ungeklärt waren bislang vor allem die planungsrechtlichen Bedingungen. So fehlt es an Bebauungsplänen für Wasserflächen und ihre Erschließung oder an einem Katasterwesen für solche Bauflächen. In keiner Bau-ordnung der 16 Bundesländer werden schwimmende Häuser bislang erwähnt und behandelt. Entsprechend schwierig ist es, eine Baugenehmigung für schwimmende Häuser zu erlangen. Und letztlich betritt man auch mit der Planung und Konstruk-tion von schwimmenden Häusern und Gebäuden Neuland, weil es kaum Normen, Richtlinien oder technische Erfahrungen mit diesem Bautypus gibt. Darum haben sich nun Bauexperten und Sachverständige damit befasst und die Norm DIN SPEC 80003 – „Schwimmende Gebäude, Technische Anforderungen und Prüfungen“, erarbeitet, die im Juni 2021 erschienen ist und erstmals technische Richtwerte für alle Fragen rund um Bau und Wohnen auf dem Wasser anbietet. Diese Norm schafft damit Klarheit und Sicherheit beim Planen und Prüfen von schwimmenden Gebäuden, womit für den Bau dieser Art Häuser eine wesentliche Erleichterung und Verbesserung geschaffen wurde. Sie wird auch die zunehmenden Angebote der Hersteller fördern. 

Weiterführende Info-Möglichkeiten: