Fotos: Simon Vogler

Pellworm tischt auf

Das Schipperhus ist Restaurant, Bar und Café auf der Nordseeinsel Pellworm. Das Küchenteam verbindet in einem nordisch-stylischen Ambiente die Fusion von traditioneller mit neu interpretierter, kreativer und vor allem regionaler Küche. Pellworm tischt auf! Saisonale Salate, Fisch, Lamm und Krabben sind hier so gut wie immer auf der Karte. Aber es gibt zum Beispiel auch eine sensationell gute Pizza für alle, die da mal ausbrechen wollen. Kombiniert mit einer Bar, die sicher auch für den Kenner keine Wünsche offen lässt, hat sich für uns das Schipperhus geradezu angeboten, hier unsere Food-Strecke zu produzieren.

Der Plan war perfekt. Als uns Jan Ole Hagen und Kai Einheuser bei einem netten Abend auf Pellworm eingeladen haben, unsere Food-Strecke im Schipperhus, einem der Projekte ihrer Seegatten GmbH auf Pellworm, zu produzieren. Weil wir zeigen wollen, wie regionale Küche wirklich funktionieren kann, waren wir natürlich Feuer und Flamme. Ein Miteinander aus Überzeugungstätern. Echte Menschen, geile Produkte, wahre Geschichten, keine inszenierten Fotos. Da lacht das SEASIDE-Herz.

Krabben, direkt vom Kutter?

Aber wir wollen ehrlich mit euch sein, ganz ist uns das nicht gelungen. Der Krabbenfischer ist eigentlich gar kein Krabbenfischer. Und statt Krabben haben wir auf dem Foto Krabbenschalen im Eimer. Das bedarf einer kleinen Aufklärung: Sven war Krabbenfischer. Und der Krabbenkutter „Columbus“ ist auch immer noch sein Baby, denn wie der Kutter heute daliegt in Pellworms Hafen, daran ist er maßgeblich beteiligt. Der Kutter wurde irgendwann zu klein. Und wie man das hier so macht, schafft man dann halt Abhilfe. Das Schiff wird also in der Mitte getrennt und die fehlenden Meter einfach zwischengeschweißt. Fertig. Na ja, ganz so einfach war das wahrscheinlich nicht. Und da kommt eben auch Sven ins Spiel, der technisch ein ganz glückliches Händchen haben soll. Das weiß auch Jan Ole, der ihn kurzerhand für das Schipperhus und für die Feriendomizile der Seegatten GmbH rekrutiert hat. Auf einer Insel benötigt man immer jemanden, der schnell mal eine Lösung findet, wenn technisch etwas klemmt.

Heute „klemmt“ vor allem, dass die gesamte Krabbenkutter-Flotte ein Auslaufverbot hat, und wir keine frisch gefangenen Krabben fotografieren können. Nach mageren Jahren lief es in den letzten Monaten so gut, dass die Lager der Großhändler so voll sind, dass sie erst mal die Order gedrosselt haben. Blöd für die Krabbenfischer, denn damit verdienen sie ihr Geld, blöd für unser Fotomotiv. Einziger Vorteil, die „Columbus“ liegt im Hafen und wir können drauf. Zusammen mit Sjaan und Sven. Denn auch, wenn es sonst nicht Sven ist, der die Krabben per blankgeputztem Edelstahleimer übergibt und es auch nicht Sjaan ist, die die Krabben sonst ganz frisch mit dem blankgeputzten Edelstahleimer übernimmt, stimmt die Szenerie insgesamt schon. Denn die Krabben frisch vom Kutter, selbst gepult natürlich, gibt es so gut wie immer im Schipperhus. Übrigens ist die Pellwormer Krabbenkutter-Flotte die größte weit und breit. Und im Vertrauen wurde uns auch gesagt, dass Büsumer Krabben eigentlich… na ja, ihr wisst schon. Aber das sollten wir nicht schreiben. Wollen ja alle nordisch entspannt miteinander bleiben. Gut also, dass wir noch frisch handgepulte Krabben im Schipperhus haben, sonst wird das ja nichts heute mit unserem regionalen Menü. Das Lamm liegt übrigens schon in der Küche. Kommt natürlich auch von Pellworm, aber zum Schlachten wollten wir ehrlich gesagt nicht mit.

Besuch beim Käseflüsterer

Eine mindestens ebenso wichtige Komponente ist der Käse. Und was für einer! Jetzt geht es zur Insel-Käserei. Zu Hauke Koll und seiner Familie, die hier seit 2016 die Käserei mit über 100-jähriger Geschichte übernommen haben. Die Familie betreibt schon seit mehr als 25 Jahren in der Nähe Husums eine Meierei, und seitdem pendelt Hauke. Der Mann liebt, was er macht. Und der Mann hat viel zu tun. Kurz, aber herzlich begrüßt uns Hauke gleich im Eingangstor in voller, weißer Montur. Wir dachten, es gäbe erst mal einen kleinen Plausch. Passt aber nicht. Außerdem wollen wir gleich ja auch noch unser Menü kochen. Und Hauke hat eh keine Zeit. Sein Käse – vor allem das, was mal Käse werden soll – wartet auf die nächsten Arbeitsschritte. Und dann legt Hauke los. Zeigt uns seine Käserei und die verschiedenen Herstellungsphasen. Bioland-Zertifiziert. Keine Tricks, keine Zutaten, die hier nichts verloren haben. Milch, Lab, Milchsäurebakterien, das reicht.

Eine Million Liter Weidemilch aus Pellworm verarbeitet die Käserei. Das sind immerhin zehn Prozent der gesamten Milchmenge auf der Insel. Und das größtenteils in Handarbeit. Eigentlich sind wir ja nicht auf Besichtigungstour, aber in die Schatzkammer müssen wir unbedingt noch. In den Käsekeller. Laib an Laib, in langen Reihen liegen Haukes Schätze hier und reifen vor sich hin. Unser Liebling, der „Rungholt“, mindestens zwölf Monate lang. Auch wenn der Norddeutsche ja nicht unbedingt seine Gefühlsregungen offen zur Schau stellt, ist Hauke (wir sind selber aus dem Norden, wir können sowas spüren) völlig stolz auf so ein perfektes Produkt. Sjaan war natürlich schon zig mal hier, aber wir glauben, auch ihr merkt man ein bisschen das Glück an, mit solchen Grundprodukten von „ihrer“ Insel arbeiten zu können.

Ab in die Küche des Schipperhus Pellworm

Apropos arbeiten, jetzt geht es in die Schipperhus-Küche. Hier hat Sjaan das Sagen. Als Zugezogene (was man ihr als Inselbesucher ehrlicherweise überhaupt nicht anmerkt, der Assimilationsprozess ist eindeutig schon weit fortgeschritten) mischt sie Pellworms Gastronomie mit ihren Erfahrungen aus der gehobenen Gastronomie mächtig auf. Seitdem führt sie mit viel Herzblut und großen Visionen die Mannschaft in der Küche des Schipperhus an. Gute, ehrliche, ambitionierte aber vor allem regionale Küche.

Mit Sjaan und dem Schipperhus Pellworm haben wir perfekte Repräsentanten für die Neuinterpretation der lokalen Küche gefunden.

Der geneigte Stammleser erinnert sich vielleicht noch an unsere crazy „Nordic Poké Bowl“ im letzten Jahr, mit der wir es in der Sterneküche des LeCanard in Hamburg an der Elbchaussee so richtig haben krachen lassen, und bei der uns der Balik-Lachs als geraspeltes Topping auch nicht zu schade war. Das war natürlich alles nicht so ernst gemeint (wenn doch ernsthaft gekocht) und mehr ein augenzwinkernder Gruß an die Möglichst-Spezielle-Essen-Fraktion. Wir haben uns von Sjaan ein Menü gewünscht, das man immer im Schipperhus bekommen kann, bei dem die „Hauptdarsteller“ von der Insel kommen, und zu dem Sjaan norddeutsch episch sagen würde: „Passt.“

Lamm, Krabben, Käse, Gemüse, Kräuter – alles direkt von der Insel

Mit den ungefähr 1000 Pellwormern leben 2000 Kühe und 3000 Schafe auf der Insel. Daher fiel, wenn man es denn mit der Regionalität auch ernst nehmen wollte, die Wahl relativ schnell auf Lamm, Krabben und Käse.
Wir kochen mit Sjaan und ihrem Team ein 3-Gänge-Menü. Im ersten Gang ist der Hauptdarsteller neben wunderbarem Salat und Gemüse ein Fetakäse von der Insel, also von Hauke. Beim Pellwormer Surf & Turf sind es die liebevoll vom Schipperhus-Team gepulten Krabben und die Lammhüfte. Und bei der Waffel die Milch und die Beeren.

Pellworm tischt auf – unser regionales Menü

Das Beste ist, die Zubereitung ist relativ einfach. Vor allem, wenn ihr euch bereits an die Menüs der letzten SEASIDE-Ausgaben gewagt habt, ist dies ein Klacks. Wie geht eigentlich regional kochen? Bleibt flexibel, was die Zutaten angeht. Was ist gerade reif? Was kommt aus der Region? Stellt euch diese Fragen beim Einkauf und legt los. Guten Appetit.
Ach so, wenn ihr euch lieber bekochen lasst, dann schaut doch mal vorbei im Schipperhus. Wir kommen auf jeden Fall wieder. Nicht zuletzt wegen der „bestbestückten Kapitäns-Bar im nordischen Watt“.

Pellworm tischt auf – der erste Gang

Bunter Tomatensalat mit Kräutern & Insel-Fetakäse

  • 1 kg Bunte Tomaten (bei uns aus den Vierlanden oder aus dem eigenen Garten)
  • 1 mittelgroße Rote Zwiebel
  • Frisée Salat
  • Majoran
  • Petersilie
  • Basilikum
  • hochwertiges Olivenöl
  • Zitrone (nur der Saft)
  • Salz
  • Pfeffer
  • 1 Stück Insel-Fetakäse, ca. 250 g (alternativ einen anderen hochwertigen Feta Käse)

So wird´s gemacht:

Die äußeren Blätter des Salates aussortieren. Den Salat waschen und in mundgerechte Stücke zupfen. Die Tomaten in Scheiben und die Zwiebel in sehr feine Würfel schneiden. Dann noch die Kräuter grob hacken. Eine Marinade aus Olivenöl, Zitronensaft, Kräutern, Salz und Pfeffer herstellen und die Tomaten darin für kurze Zeit marinieren. Den Salat in eine Schüssel geben und die marinierten Tomaten darauf anrichten. Mit Zwiebelwürfeln und dem Fetakäse garnieren. Frischen Pfeffer drüber mahlen und mit einigen Kräuterblättchen garnieren.

Strandküche

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Sich geschmacklich durch die Welt zu kochen, macht unglaublich viel Spaß. Kochen, so dass es wie bei Mutti zuhause oder bei Mama in Sizilien schmeckt. Von Tomatenbrot über Hausmannskost bis Haute Cuisine – wer ambitioniert ist und anfängt zu experimentieren, der sammelt sich im Laufe der Zeit ein entsprechendes Arsenal in der heimischen Gewürzschublade zusammen. Markus Kolberg liebt das Kochen. Allerdings das Segeln mindestens genauso. Und da ihm an Bord immer irgendein Gewürz gefehlt hat, er aber verständlicherweise auch nicht dutzende Gewürze mitnehmen konnte, er wiederum im Handel nichts für seine Bedürfnisse fand, hat er es einfach selber gemacht. Und zwar konsequent! Mit seiner „Strandküche“ mischt er in seiner Gewürzmanufaktur im schleswig-holsteinischen Schuby sechs Gewürzmischungen per Hand, die für nahezu jeden Küchen-, Kombüsen- oder Lagerfeuereinsatz perfekt abgestimmt sind.
Auch wenn er zum Beispiel für den Rosmarin aus Italien, den Thymian aus Frankreich und den Pfeffer aus Indien ausschließlich mit ökologisch und ethisch vorbildlich handelnden Lieferanten kooperiert, achtet Markus darauf, möglichst konsequent mit lokalen und regionalen Partnern zusammenzuarbeiten. Um die Wege kurz zu halten. Und um die Strandküche-Gewürzmischungen möglichst nachhaltig zu produzieren. So sind zwar die Gewürzmischungen in Alu-Dosen abgefüllt, um das Aroma zu halten, aber recyclebar. Und die Holzkästen für Gewürzsets kommen aus einer örtlichen Behindertenwerkstatt. strandkueche.de

Pellworm tischt auf – der zweite Gang

Pellwormer Surf & Turf

  • 4 Stück Lammhüften mit Fettdeckel
  • 350 g frische Nordseekrabben (am besten selbst gepult)
  • Kartoffelpüree von ca. 800 g Kartoffeln
  • 250 ml Rote Bete Saft
  • ein kleines Bund Schnittlauch
  • 8 Schalotten
  • 200 ml Lammjus
  • Fleur de Sel

So wird´s gemacht

Die Kartoffeln schälen und in Salzwasser gar kochen. Das Wasser abgießen, ein Stück Butter in den Topf geben, die Kartoffeln stampfen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Wer mag, kann noch einen guten Schuss Buttermilch als „Schlotzhilfe“ unterrühren. Das passt gut zum Lamm, muss aber auch nicht.

Die Lammhüfte auf beiden Seiten mit Salz und Pfeffer würzen und mit viel Fett mit der Fettseite zuerst bei mittlerer Temperatur in der Pfanne anbraten, bis der Fettdeckel eine knusprige goldgelbe Farbe erhält. Danach das Fleisch wenden und noch kurz von der anderen Seite anbraten. Das Lamm anschließend im vorgeheizten Ofen bei 140°C Ober- und Unterhitze auf eine Kerntemperatur von 49°C (heute kommt man ja ohne Bratenthermometer gar nicht mehr aus) garen und anschließend ruhen lassen. Das Lamm ist bei einer Kerntemperatur von 55°C perfekt gegart. Während das Lamm im Ofen ist, den Rote Bete Saft im Topf reduzieren, bis er dickflüssig ist, und dann unter das warme Kartoffelpüree heben. Die Schalotten schälen, halbieren und ohne Fett in einer Pfanne rösten, bis sie an der Schnittstelle eine schöne dunkle Farbe bekommen. Die berühmten Röstaromen. Anschließend in der Jus noch eine Weile mitköcheln.

Hovy Glass

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Sind euch die Gläser aufgefallen? Uns schon, daher haben wir sie mit nach Pellworm genommen. Wir finden die Upcycling-Idee von Hovy Glass so gut, dass wir sie euch vorstellen wollten. Die Gläser haben ihr erstes Leben bereits als Weinflaschen, eingesammelt auf St. Pauli, verbracht. Hovy haucht ihnen neues Leben ein, finden wir richtig gut. hovy-glass.de

Anrichten

Zum Anrichten das Rote Bete Püree in die Mitte des Tellers geben und mit der Löffelrückseite eine Mulde eindrücken. Das Jus mit den Schalotten in das Püree und etwas drumherum verteilen. Den geschnittenen Schnittlauch darauf drapieren. Jetzt das Lammfleisch in Tranchen schneiden (das Fleisch sollte eine durchgehend rosa Farbe haben), mit etwas Fleur de Sel würzen und die Nordseekrabben über dem Fleisch verteilen.

Pellworm tischt auf – der dritte Gang

Waffel mit Eis, Sahne und frischen Beeren

  • 100 g Zucker
  • 100 g Butter
  • 2 Eier
  • 200 ml Milch
  • 230 g Mehl
  • 2 gestrichene TL Backpulver Topping
  • Puderzucker
  • frische Beeren der Saison, zum Beispiel Himbeeren, Blaubeeren, Erdbeeren, Johannisbeeren
  • 200 ml Sahne
  • Eis: Erdbeer, Vanille oder eure Lieblingssorte

So wird´s gemacht

Die Butter zusammen mit dem Zucker auf höchster Stufe schaumig schlagen. Nach und nach die Eier hinzufügen. Mehl und Backpulver zusammensieben und nach und nach unter langsamem Rühren hinzugeben. Dann nur noch die Milch unterrühren, und der Waffelteig ist fertig. Ein Waffeleisen fetten und je nach Gerätetyp abbacken. Das Gastro-Waffeleisen im Schipperhus braucht 3 Minuten, die Waffeleisen für den Heimgebrauch haben ja meist Lämpchen, die anzeigen, wann die Waffel fertig gebacken ist.

Für das Topping die Sahne steif schlagen. Danach die Früchte waschen, gegebenenfalls klein schneiden und auf der frischgebackenen Waffel drapieren, Eis und Sahne schön darauf anrichten und sofort essen.

Gekocht haben wir im:
Schipperhus Pellworm
Tammensiel 26
25849 Pellworm
schipperhus-pellworm.de

Der Hochseekorn zum Abschluss

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Im Norden trinkt man halt gerne mal ‘n Lüttn zum Abschluss. Korn bietet sich da klassischerweise an. Nun zeichnet sich regionale Küche ja vor allem erstens durch das Verwenden von lokalen Zutaten aus. Das ist beim Hochseekorn norddeutsches Getreide. Zweitens durch möglichst kurze Transportwege. Bei diesem Korn macht es aber durchaus Sinn, hier eine Ausnahme zu machen. Wie bei uns Menschen hilft auch dem Hochseekorn das in sich Ruhen und das Reisen in andere Länder zur Charakterbildung.

Nach mehrjähriger Kellerlagerung in alten Whiskyfässern geht der Korn mit dem Stückgutfrachter auf eine 180-tägige Weltreise. Wenn er wieder nach Hamburg kommt, hat er viel „erlebt“: Das Durchfahren unterschiedlicher Klimazonen, das Trotzen von Stürmen und was sonst noch so alles auf einer Schiffsreise passieren kann. Und das schmeckt man ihm auch an. hochseekorn.de

Dieser Artikel ist im SEASIDE Magazin 2019 erschienen. Wenn ihr mehr Geschichten aus dem Norden lesen wollt, könnt ihr das Magazin portofrei bei uns im Shop bestellen: